Der Fall Amad A. zeigt: Festgenommene rechtsstaatlich und menschenwürdig behandeln statt bloß zu verwalten
In der gestrigen Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Kleve“ (PUA III) wurden sechs frühere Mitgefangene von Amad A. verhört. Es wurden außerdem auch Brandermittler des Polizeipräsidiums Krefeld, der Brandsachverständige der Staatsanwaltschaft Kleve sowie weitere Sachverständige als Zeugen vernommen. Der Sachverständige der Staatsanwaltschaft hat ein Brandgutachten erstellt, das zwei Mal nachgebessert werden musste.
Foto: Büro Sven Wolf
Die Vernehmungen waren wichtig für unsere Aufklärungsarbeit. Und die Schilderungen der früheren Mitgefangenen von Amad A. gingen unter die Haut. Ex-Mitgefangene von Amad A. schilderten anschaulich und bedrückend seine Versuche, in der JVA Kleve seine Unschuld klarzumachen.
Rechtsstaatlich besonders bedenklich ist, dass Amad A. noch Wochen nach seiner Inhaftierung nicht wusste, warum genau er überhaupt einsaß. Niemand in Polizei und Justiz hielt es offenbar für nötig, ihn verständlich aufzuklären und auf seine Rechte hinzuweisen.
Nachdem auch die Anstaltspsychologin, der sich Amad A. mit Fakten und deutlichen Hinweisen Anfang September 2018 anvertraute, nichts unternahm, gab Amad A. auf. Gegen diese Psychologin wurden heute weitere Vorwürfe erhoben. Hinzu kommen Hinweise, dass Amad A. damit gedroht wurde, nach Verbüßung der Unrechthaft nach Syrien abgeschoben zu werden.
Innen- und Justizminister müssen sich nach ihrer politischen Verantwortung fragen lassen: Warum wurde ein Festgenommener bürokratisch verwaltet, anstatt rechtsstaatlich und menschenwürdig behandelt zu werden?
Erstaunlich schnell gab es auf die Frage, warum Amad A. das Feuer legte, eine politische Antwort der Landesregierung. Von Amts wegen muss der Justizminister jedoch der Wahrer neutraler Ermittlungen sein.
Bereits am 10. Oktober 2018 sagte Minister Biesenbach gegenüber dem Landtag, Amad A. habe die Gegensprechanlage zu einem Hilferuf aus seiner brennenden Zelle nicht verwendet. Minister Biesenbach wird deshalb erklären müssen, wieso er sich so früh und deutlich festgelegt hat. Denn der ermittelnde Polizeibeamte sagte vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass die technische Auswertung zu diesem Zeitpunkt noch andauerte.
Der Streit der Gutachter, den wir gestern im PUA III erlebt haben, hätte Justizminister Biesenbach verhindern können. Schon alleine wegen der besonderen Brisanz des Falls hätte er direkt ein Zweitgutachten in Auftrag geben müssen. So oder so muss die Objektivität und Neutralität der Gutachter gewahrt bleiben – Beeinflussung ist hier nicht akzeptabel.
Besonders problematisch ist, dass der Sachverständige der Staatsanwaltschaft auch über die inneren Beweggründe von Amad A. spekuliert hat. Damit hat der offizielle Gutachter seine fachlichen Grenzen überschritten, wie er selbst einräumte. Bei seiner Befragung kam allerdings heraus, dass er die Vorgabe hatte, abweichend von dem sonst üblichen Prozedere nicht nur objektive Fakten, sondern auch Vermutungen aus den damals vorliegenden Zeugenangaben einzubeziehen.
Wir fragen uns zudem, wann der Justizminister den eindringlichen Appell des Gutachters Prof. Dr. Goertz nach einem Notrufknopf in allen Hafträumen endlich umsetzt. Das kann Leben retten!