„Mein Tag auf der Gamescom“ oder „Doch keine Nerds?“
Gut präpariert ging es am Freitagmorgen zur Gamescom 2012 nach Köln, meinem ersten Besuch auf dieser Computerspielemesse, nach Pressemeinungen das „Paradies“ für Spieler. Einige Artikel in der einschlägigen „Fachliteratur“, wie Computer Bild Spiele und PC Games, hatte ich zur Vorbereitung bereits gelesen. In Begleitung meiner Praktikantin, der Jurastudentin Félicie Brisson, machte ich mich auf Entdeckungstour.
Wann habe ich selbst das letzte Mal ein Computerspiel gespielt? Gibt es die Spiele meiner Jugend noch?
Daneben haben die Computerspiele auch eine politische Dimension. Die öffentliche Debatte über die sogenannten Ego-Shooter ist mir noch im Ohr. Besonders die Forderung des ehemaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein nach einem absoluten Verbot kam mir damals 2002 schon schablonenhaft und populistisch vor.
Aufgefallen ist mir, dass in den zahlreichen Spielebesprechungen nur bei der Beschreibung der aktuellen „Counter Strike“ Version ein Einschub mit Hintergrundinfos zur damaligen Debatte zu finden war. Auf der Zugfahrt nach Köln begegneten mir schon viele Jugendliche, die dank ihrer Gamescom-Shirts oder Verkleidung klar erkennbar auch auf dem Weg zur Spielemesse waren. Nicht nur ein Treffen von Fans, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit riesigen Umsätzen und zahlreichen Arbeitsplätzen. Anders ließe sich eine Messe mit bis zu 250.000 Besuchern und acht vollen Messehallen auch kaum erklären. Dabei sitzen die Produzenten der Software nicht nur in den USA oder Asien, sondern auch häufig in Deutschland oder in NRW.
Simulatoren die heimlichen Helden?
Ein starkes Beispiel ist hier ein „kleiner“ Produzent von Simulatoren: die Firma Astragon mit Sitz in Mönchengladbach. Der Landwirtschaftssimulator (übrigens ohne Altersbeschränkung) ist einer der Hits und verkaufte sich bereits über 1 Millionen Mal.
Im Jahr 2010 erzielte das Unternehmen nach einem aktuellen Bericht der Rheinischen Post einen Umsatz von 8,5 Millionen Euro. Damit dies noch mehr wird, warben die Promoter lautstark auf der Messe und warfen große Menge der „Gold Edition“ ihrer Software in die grölende Zuschauermenge. Ein wenig Karneval ist halt immer in Köln. Kein leichtes Unterfangen, flimmerten doch auf den Bildschirmen der anderen Stände die lautesten und buntesten Versionen phantasievoller Aktionspiele. Bei meinem Selbstversuch am Simulator kam erst langsam Spielfreude auf, nachdem ich die Steuerung verstanden hatte und tatsächlich das erste geerntete Getreide im Anhänger gelandet war.
Ein weiterer Nischenanbieter für gelungene Simulationen ist Aerosoft. Er präsentierte eine hochauflösende Demoversion seines Bussimulators für München. Von der Innensicht kaum ein Unterschied zum Bus, den ich noch am Morgen selbst benutzt hatte. Mit rund 20.000 Exemplaren erreicht Aerosoft überwiegend ein reiferes Publikum jenseits der 50 Jahre oder Fans des Busfahrens, die selbst im realen Leben hinterm Steuer an der Druckluftbremse sitzen.
Das Geschäft hinter dem Geschäft
Neben dem Verkauf der reinen Software umfasst der Unterhaltungsmarkt natürlich deutlich mehr, wie im Hintergrundgespräch mit einem Merchandisingproduzenten klar wird. Ob ein Spiel das Potential für ein weiteres Zusatzgeschäft hat, muss vorab genau analysiert werden, bevor der Kauf einer Lizenz und die aufwendige Produktion in Asien anlaufen kann. Allein die Komplexität einer Geschichte, die sich hinter einem Spiel verbergen kann, ist nicht immer Garant für den Erfolg, wie das spielerisch recht simple „Angry Birds“ mit Millionen Umsätzen an T-Shirts und sonstigen Waren zeigt.
Die umfangreiche Story der „Assassin’s Creed“ hatte meine Praktikantin und mich aber bereits nach wenigen Worten in den Bann gezogen. Eine komplexe Geschichte, die in verschiedene historische Epochen springt und in der aktuellen 3. Version Passagen des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges nachspielt, fesselt eben doch. Wenn das nicht genug wäre. Spätestens beim übergroßen Poster des Spiels meiner Jugend „Simcity“ war es aber auch um mich geschehen. Kein Vergleich der Grafik zu den Frühversionen der 1990er Jahre. Ich hätte nicht übel Lust mal wieder ein Wochenende vorm PC zu verbringen. Ähnlich erging es Felicie, die es sich nicht nehmen ließ die neueste Version von „Need for Speed“ zu testen.
Leider etwas vom großen Trouble abgelegen fanden wir in Halle 10 dann die Bereiche, die die theoretischen Aspekte der Spiele und Medien behandeln. Hier findet sich zum einen die berufliche Seite, mit Angeboten von Universitäten Spieldesign oder Gestaltung zu studieren, oder die historische Seite, mit alten Schätzen wie den ersten Atari und C64 Computern. Zum anderen aber auch die gesundheitliche Seite. Das Krankmachende. Die Sucht. In einem Modellprojekt geht die Drogenhilfe Köln gGmbH auf die speziellen Probleme von websüchtigen Jugendlichen ein. Die häufigsten Erstkontakte entstehen über Eltern, Pädagogen, selten aber auch durch die Betroffene selbst. Ein Großteil findet wieder heraus aus der Selbstisolation des Internets. Ein Teil aber nur mit professioneller Hilfe, wobei die Veranlagung zur Sucht manchmal auch nur durch andere Begeisterungen, wie beispielsweise Sport, ersetzt werden kann.
Hier verkneife ich mir nicht die Frage nach dem gesellschaftlichen Ausmaß der Ego-Shooter. Aber die Sorge um die Folgen der öffentliche Debatte der vergangenen Jahre sitzt noch tief. Einfache Erklärungen gebe es nicht und bei Tätern kämen viele Ursachen zusammen. In der Rückschau seien Zuordnungen einfacher, da fände man beispielsweise auf dem Weg einer Drogenkarriere eben auch Alkohol, Rauchen und Kiffen, ähnlich sei es bei Gewalttätern. Ein gewerblicher Aussteller wird deutlicher: „Politiker suchen doch manchmal nach einfachen Erklärungen und Antworten für ihre Wähler. Verständlich, aber oft zu simpel.“
Mein Fazit
Mein erster Besuch auf der Gamescom war sicher nicht mein letzter und wer dort hinfährt um die klassischen Nerds zu sehen, wird enttäuscht. Computerspielen ist längst eine Kulturtechnik – unabhängig von Alter oder gar Bildungsgrad.