Abwahlverfahren von Bürgermeistern und Landräten
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Herr Kollege Wimmer, Sie haben viel Kritisches zu diesem Gesetzentwurf gesagt. Sie werden jetzt nicht überrascht sein, dass ich einige positive Aspekte herausstellen will. Sie haben in der Tat schon einiges vorweggenommen. Eigentlich könnte ich mir also die ersten paar Stichworte meiner Rede sparen.
Auch wenn Sie das immer wieder in Zweifel ziehen: Es ist tatsächlich so, dass bereits im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen die Stärkung der Demokratie als Überschrift festgelegt und im Konkreten das Abwahlverfahren für Bürgermeister vorgesehen war. Zeitlich lag das deutlich vor den schrecklichen Ereignissen in Duisburg.
Dennoch begrüßen wir den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke. Unsere Zielrichtung ist da sehr ähnlich. Bei der Einschätzung der Frage, welches Ereignis diesen Gesetzentwurf ausgelöst hat, unterscheiden wir uns allerdings ein wenig, glaube ich.
Bei der letzten Plenarbefassung habe ich darauf hingewiesen, dass wir noch einmal sachlich über die Höhe der Quoren diskutieren wollen. Das haben wir getan. Die Sachverständigenanhörung hat aus meiner Sicht doch einige sehr konstruktive Vorschläge ergeben. Im Prinzip – da unterscheiden wir uns in der Bewertung – gab es aber eine breite Zustimmung.
Ich will einmal zwei Gruppen herausnehmen. Die kommunalen Spitzenverbände, die Sie bereits angesprochen haben, haben darauf hingewiesen, dass es ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Rat und dem Bürgermeister gibt. Das kann gestört sein. Dann hat der Rat auch weiterhin das Recht, ein Abwahlverfahren gegen diesen Bürgermeister oder diese Bürgermeisterin einzuleiten. Das gleiche Vertrauensverhältnis gibt es aber auch zwischen der Bürgerschaft und dem Bürgermeister. Das kann ebenfalls gestört sein. Dann muss man auch der Bürgerschaft die Möglichkeit geben, ein solches Verfahren einzuleiten.
Herr Löttgen und Herr Wimmer, die kommunalen Spitzenverbände haben ausdrücklich gewarnt, dass das kein übliches Mittel der Tagespolitik werden darf. Welche Konsequenz daraus zu ziehen ist, hat sich in der langen Diskussion über die Frage der Höhe der Quoren gezeigt. Mehr Demokratie
e. V. hat das als logische Konsequenz bezeichnet und darauf hingewiesen, dass der Repräsentant einer Bürgerschaft auch das Vertrauen der Bürgerschaft braucht. Wenn dieses Vertrauen aufgebraucht ist, muss auch die Möglichkeit bestehen, das Ganze zu beenden.
Zunächst zum Eingangsquorum: Der Verweis auf Bürgerbegehren greift auch weiterhin zu kurz. Das haben die Sachverständigen gezeigt. Es geht gerade nicht um Sachthemen, die hier diskutiert werden, sondern um die Frage der Abwahl von Bürgermeisterinnen bzw. Bürgermeistern, also den Leitungen der Behörden und auch den Repräsentanten des Rates.
Das führt auch nicht dazu, Herr Wimmer, dass nur noch Populisten im Amt sind. Daher haben wir ja ausdrücklich über diese Quoren gesprochen. Im Übrigen haben wir letztens die Position der Bürgermeister durch die Wiedereinführung der Stichwahl gestärkt;
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])
das haben Sie auch angesprochen. Es wäre verkehrt, diese Position im nächsten Schritt durch zu niedrige Quoren wieder zu schwächen. Im Ergebnis haben wir ein gestaffeltes Initiativquorum ähnlich der Regelungen in Brandenburg.
Wir haben eine zweite wichtige Hürde, nämlich die Quoren und Quoten im Abwahlverfahren selbst. Das ist auch sehr lang und ausführlich diskutiert worden. Der Änderungsantrag dreht sich hier um: Nicht 25 %, also eine kleine Minderheit, müssen zustimmen, sondern es müssen mindestens 25 % der Wahlberechtigten mit Nein gestimmt haben. Damit sind aus unserer Sicht verschiedene verfassungsrechtliche Bedenken aufgegriffen worden. Das Bundesverfassungsgericht hat ja mal gemahnt, dass der Gesetzgeber verhindern soll, dass übereilte und von Stimmungen diktierte Entscheidungen getroffen werden.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Wolf, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Löttgen würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie die zulassen.
Sven Wolf (SPD): Ja.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Abgeordneter Löttgen.
Bodo Löttgen (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Wolf, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. -Sie sind eben in einem kleinen Nebensatz auf die gestaffelten Quoren eingegangen. Sie haben auch deutlich gesagt, dass wir unterschiedliche Auffassungen vom Ergebnis der Anhörung haben. Könnten Sie mir vielleicht aus der Erinnerung sagen, wer von den Experten in der Anhörung für die Einführung von gestaffelten Quoren war?
(Zuruf: Keiner!)
Sven Wolf (SPD): „Keiner“ stimmt nicht. Man kann auf die Beispiele in Brandenburg verweisen.
(Bodo Löttgen [CDU]: Danach habe ich aber nicht gefragt!)
Die Frage ist, ob es notwendig ist, diese Quoren zu unterscheiden. Aus unserer Sicht macht das schon Sinn. Das soll eben dazu führen – das hat Herr Wimmer gerade für Sie ausgeführt -, dass es nicht zu Populisten kommtt sondern dass man das deutlich unterscheidet und die Größe der entsprechenden Kommune berücksichtigt. Ich sehe da keinen Widerspruch.
Ich will noch auf einen zweiten Punkt, ein weiteres verfassungsrechtliches Problem hinweisen. Prof. Bätge hat das mal so bezeichnet, dass man die verfassungsrechtlichen Probleme quasi potenzieren würdet und deshalb ganz konsequent dazu aufgerufen, dass es bei dem Abwahlverfahren selber eine Quote, ein Quorum geben muss. Denn es geht hier – das ist auch gesagt worden – um die Funktionalität und Stabilität der Kommunalverwaltungen und auch um die Unabhängigkeit der Personen, die dieses Amt innehaben. Es soll mit diesem Verfahren ausdrücklich nicht zum Bürgermeisterkegeln kommen. Dieser Begriff ist 1998 in Brandenburg aufgekommen.
Der Änderungsantrag greift also konsensfähige Vorschläge aus der Anhörung auf. Deswegen werden wir zustimmen.
(Beifall von der SPD)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wolf