„Das schärfste Schwert im Parlament“
Für die Anwärterinnen und Anwärter des gehobenen Polizeidienstes gab es zum Abschluss ihres Bachelorstudiums an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Duisburg eine ganz besondere letzte Pflichtveranstaltung.
Als Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III (PUA), der mit der Aufgabe betraut ist, mögliches Fehlverhalten der Behörden rund um die Ermittlungen der Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) aufzuklären, wurde ich gebeten, eine Vorlesung zu halten. In den Mittelpunkt wollte ich nicht nur rechtliche Fragen, sondern auch einen historischen Rückblick und praktische Erwägungen stellen.
Vier Fotos legte ich den Absolventinnen und Absolventen zum Einstieg vor und fragte nach deren historischer Bedeutung. Vier Gesichter – vier Skizzen einer Geschichte der Demokratie und der Schutzfunktion des Untersuchungsausschusses: von der Unterwerfung des englischen Königs Wilhelm II. von Oranien unter die Bill of Rights über die Etablierung des Instruments PUA in der Weimarer Republik über die Gefahr des politischen Missbrauchs durch den US-amerikanischen Senator Joseph McCarthy zur Diffamierung vermeintlicher Kommunisten bis zu der unrühmlichen Rolle des Unternehmers Friedrich Karl Flick und dem in der Folge verabschiedeten „Flick-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts. Nicht zu vergessen der Soziologe Max Weber, der seine Ideen einer öffentlichen Kontrolle in die Weimarer Verfassung einfließen ließ.
Begeistert war ich von der regen Teilnahme der Studierenden. Ein Studierender hinterfragte die Bezeichnung des PUA als „das schärfste Schwert des Parlaments“. Hierzu bohrte der treffend nach, dass ein PUA nach Abschluss seiner Arbeit lediglich Handlungsempfehlungen auszuspreche und nicht, den Behörden direkte Konsequenzen aufzuerlegen.
Nach meinem Verständnis aber greift dieses Bild trotzdem. Die Bezeichnung als Schwert zielt vor allem darauf ab, dass dies gerade ein sehr mächtiges Instrument der Opposition ist, auch gegen die Mehrheit im Parlament kontrollieren zu können. Der Katalog verfügbarer Maßnahmen ist umfangreich: Es besteht das Recht, Zeugen vorzuladen und Akten von Behörden anzufordern. Diese sind dabei dem Ausschuss zur Amtshilfe verpflichtet. Geladene Zeugen sind – wie vor Gericht – verpflichtet, zu erscheinen und auszusagen. Bei unentschuldigtem Fehlen steht es dem Ausschussvorsitzenden zu, beim zuständigen Oberlandesgericht ein Ordnungsgeld gegen den säumigen Zeugen zu beantragen. Im Gegenzug stehen den geladenen Zeugen und Sachverständigen die gleichen Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte zu, die ihnen auch die Strafprozessordnung vor Gericht gewährt. Folglich ist das schärfste Schwert des Parlaments ein Garant des parlamentarischen Minderheitenschutzes und des Grundsatzes der Gewaltenteilung, denn es dient in besonderer Weise der parlamentarischen Kontrolle der vollziehenden Gewalt.
In der Fragerunde mit den Studierenden kamen auch der auf den Polizistinnen und Polizisten lastende Druck zur Sprache, das in sie gesetzte Vertrauen der Bevölkerung und der Politik nicht zu enttäuschen. Das Land NRW leistet hier einerseits Unterstützung durch eine bessere personale Ausstattung der Polizei. Im Fokus des PUA NSU steht aber auch die Frage, wie durch eine bessere Vernetzung und einen verbesserten Informationsaustausch solche Ermittlungen zukünftig optimiert werden können. Hier liegt wiederum die Verantwortung der Politik, durch Erkenntnisse aus Untersuchungsausschüssen zu einer besseren Verbrechensbekämpfung beizutragen.
Am Ende unseres PUAs werden hoffentlich klare Handlungsempfehlungen stehen. Manches zeichnet sich bereits ab – so etwa das Erfordernis einer stärkeren Durchlässigkeit von Informationen zwischen einzelnen Behörden bei Beachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften.
Im Hinblick auf die Aufklärung der Verbrechen des NSU war es mir besonders wichtig, einen Appell gegenüber den angehenden Polizeibeamten auszusprechen: „Natürlich müssen Sie in alle Richtungen ermitteln und Sie müssen auch den Opfern und ihren Angehörigen Fragen stellen. Bei Kapitalverbrechen handelt es sich erfahrungsgemäß ganz oft um eine Beziehungstat, bei der sich Opfer und Täter kannten. Sollten Sie innerhalb des Umfeldes des Opfers ermitteln und es stellt sich heraus, dass die Hinweise haltlos sind, dann stellen Sie das bitte klar. Gegen über den Angehörigen und notfalls auch gegenüber den befragten Zeugen. Ich habe viele Opferangehörige getroffen, die neben dem Verlust des Angehörigen gerade unter den Ermittlung in ihrem Umfeld psychisch sehr gelitten haben und bis heute damit zu kämpfen haben.“