Wachsende Armutsgefahr in NRW durch Pflegebedürftigkeit
Thorsten Klute:
„Wachsende Armutsgefahr in NRW durch Pflegebedürftigkeit – Schwarz-Grün macht sich auf Kosten der Kommunen einen schlanken Fuß bei der Pflege“
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In NRW wächst die Gefahr, durch Pflegebedürftigkeit arm zu werden. Das musste die Landesregierung nun auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion („Arm durch Pflegebedürftigkeit – wie entwickeln sich die Zahlen der Hilfe zur Pflege in NRW?”, LT-Drs. 18/11235) bestätigen. Danach ist die Anzahl der Menschen, die in NRW Hilfe zur Pflege erhalten, von 2017 (93.064) bis 2021 (104.020) um 12 Prozent und bis 2023 (99.395) immer noch um 7 Prozent angestiegen. Eine zum 1.1.2022 wirkende Gesetzesänderung führte demnach zwar kurzfristig zu einem einmaligen leichten Knick bei den Hilfen zur Pflege. Diese Änderung wird aber inzwischen wieder aufgefressen. Schon im Folgejahr 2023 näherte sich die Zahl derer, die sich die Pflegekosten nicht mehr leisten konnten, dem früheren Niveau an. Und auch die Tendenz für 2024 dürfte klar nach oben zeigen.
Hilfe zur Pflege erhält nach SGB XII, wer die von der Pflegeversicherung nicht gedeckten Kosten der Pflege nicht selbst zahlen kann. In dem Fall springen dann die Kommunen vor Ort ein. Die Hilfe zur Pflege gibt also auch Hinweise auf die Leistungsfähigkeit der Pflegeversicherung, die am 1. Januar 30 Jahre alt wird. Und sie ist ein Indikator für die Armutsgefahr durch Pflegebedürftigkeit.
Mit der steigenden Armutsgefahr durch Pflegebedürftigkeit steigen auch die Ausgaben der Kommunen für Hilfe zur Pflege. Mussten sie im Jahr 2017 noch etwa 831 Millionen netto in NRW zur Unterstützung von Pflegebedürftigkeit aufwenden, waren es im Jahr 2021 bereits knapp 1,16 Milliarden Euro. Die Erhöhung der Unterstützung durch den Bund für Menschen, die in Pflegeheimen leben, senkte die kommunalen Ausgaben in NRW dann im Jahr 2022 vorübergehende auf knapp 792 Millionen Euro. Aber schon im Jahr 2023 schnellten die Aufwendungen der Kommunen für Hilfe zur Pflege in NRW um etwa 23 Prozent auf rund 975 Millionen Euro hoch. Auch hier gilt für die Zukunft: Tendenz weiter klar steigend.
Dabei ist die Armutsgefahr durch Pflegebedürftigkeit in NRW regional unterschiedlich groß. In Duisburg zum Beispiel stiegen die kommunalen Ausgaben für Hilfe zur Pflege trotz Entlastung durch den Bund im Jahr 2022 von 2017 bis 2023 um knapp 32 Prozent, im Kreis Gütersloh um 40 gut Prozent und in Oberhausen und im Kreis Steinfurt gar um etwa 50 Prozent. An der Spitze des Anstiegs steht mit über 100 Prozent Steigerung der Kreis Unna. Im Kreis Kleve hingegen gingen die kommunalen Ausgaben für Hilfe zur Pflege von 2017 bis 2023 um knapp 9 Prozent zurück, in Düsseldorf um etwa 15 Prozent und Köln um 17 Prozent.
Kaum gestiegen ist im Zeitraum 2017 bis 2023 hingegen das Engagement des Landes NRW für die Pflege. Die Bundesländer haben in Deutschland über die Investitionskostenförderung der Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit, auf die Eigenanteile der Pflegebedürftigen Einfluss zu nehmen. Seit Karl-Josef Laumann wieder Gesundheitsminister in NRW ist, ist die Anzahl der Pflegebedürftigen in NRW deutlich angestiegen. So ist es auch mit den Ausgaben der Kommunen für die Menschen, die die von der Pflegeversicherung nicht gedeckten Kosten der Pflege nicht aus eigener Tasche zahlen können. Allerdings blieben die Ausgaben des Landes NRW für die Investitionskosten in der Pflege jedoch weitgehend konstant. Von 2017 bis 2023 stiegen sie lediglich um 4 Prozent von 681 Millionen Euro auf 709 Millionen Euro. In den stationären Pflegeeinrichtungen, also den Pflegeheimen, gingen die Ausgaben des Landes sogar um über 2 Prozent zurück – von rund 549 Millionen Euro auf rund 536 Millionen.
Dabei sind es gerade die vollstationären Pflegeeinrichtungen, deren Kosten die Pflegebedürftigen, pflegende Angehörige und die Kommunen besonders belasten. In Städten wie Duisburg (82 Prozent), Oberhausen (73 Prozent) und Gelsenkirchen (71 Prozent) beziehen inzwischen fast alle Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen Hilfe zur Pflege, weil sie es selbst nicht mehr bezahlen können.
Hierzu sagt Thorsten Klute, pflegepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW:
„Die Zahlen zeigen eindeutig: Die Gefahr, durch Pflegebedürftigkeit arm zu werden, steigt in Nordrhein-Westfalen immer weiter an. Die Landesregierung setzt dem nichts entgegen und gibt keine neuen Impulse. Während die Ausgaben der NRW-Kommunen für Hilfe zur Pflege immer weiter steigen, macht sich Minister Laumann bei seiner Investitionskostenförderung für Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste einen schlanken Fuß. Das geht zu Lasten der Pflegebedürftigen, der pflegenden Angehörigen und der Kommunen.
Zum 30. Geburtstag der Pflegeversicherung müssen wir feststellen: Das Ziel bei ihrer Einführung Anfang 1995, Armut durch Pflegebedürftigkeit zu verhindern, erreicht die Pflegeversicherung nur noch bedingt. Die nächste Legislaturperiode des Bundestags muss deshalb eine Periode der Pflegereform werden. Pflegende Angehörige müssen deutlich mehr Unterstützung erfahren. Die Pflegeversicherung muss reformiert werden. Pflegebedürftigkeit darf nicht zwangsläufig in die Armut führen.“